Mittwoch, 15. Februar 2017

Asche und Fledermäuse

Christian und ich haben letzte Woche, nach einem grossen Feuer in Parola, die Familien zweier OnesimoKids besucht. Es ist ein unglaubliches Szenario. Das Slum ist von einer Mauer umgeben, mit verschiedenen Toren. Dies hat es erschwert für die Menschen, ihre Habseligkeiten in Sicherheit zu bringen. Ein Wunder dass niemand gestorben ist, 7 Bewohner wurden verletzt. Das Feuer brach um 21 Uhr aus und war erst um 7Uhr morgens gelöscht. Die Familien haben die Nacht in einem Basketballcourt verbracht oder auf der Strasse. Am nächsten Tag ist das Ausmass sichtbar. Verheerend. Ihr Haus, ihr Besitz, alles ist verbrannt. Überall ist Asche und Löschwasser, die restlichen Mauern sind gefährlich, da sie einstürzen können. Und doch bleibt ihnen nicht anderes übrig als anzufangen, ihre Häuser zu säubern. Vor der Mauer, auf der Strasse gibt es riesige Aschehaufen, auf denen die Frauen und Kinder mit Haken nach brauchbaren Resten suchen. Die Männer, wenn sie Geld gerettet haben oder sich von ihren Verwandten etwas leihen, kaufen Holz und Werkzeug um ihre Häuser wieder aufzubauen. Sie reissen Mauern ein, wischen Böden, Sammeln verbrannte Metalldächer um sie zu vekaufen - Es gibt Geld pro Kilo, so kann es wenigstens noch von nutzen sein. Ich fühle mich fehl am Platz, durch ihre verkohlen Häuser zu laufen. Es ist Asche überall, es dauert nicht lange bis auch wir Hände und Füsse bedeckt haben. Doch ein bisschen etwas können wir geben. Hier ein Händedruck. Dort ein Lächeln.
Ein kurzes Gespräch. Und vor allem können wir ihnen zeigen, dass sie nicht vergessen sind. Dass wir ihre Misere in die Welt tragen, ihre Häuser nicht brennen und niemand interessiert sich dafür. Natürlich ist es uns nicht möglich, 3200 Familien auf praktische Art zu helfen. Doch kleine Schritte gehen um es vielleicht in Zukunft sicherer zu machen, und Respekt und Würde in diese unwürdige, schlimme Situation zu bringen, das sollte uns möglich sein. Und wieder lerne ich von ihnen am meisten. Hoffnung niemals aufgeben. Das Leben nehmen wie es kommt, und dabei nach vorne sehen. Wunderschöne Menschen mit so viel Hoffnung.

Mein Tag ist noch nicht vorüber. Wir besuchen noch die Familien unter der Brücke. Familien, denen nun der Strom abgestellt wurde, den sie Illegal seit einigen Jahren beziehen. Sie sollen umgesiedelt werden in die Provinz. Unter der Brücke ist es dunkel. Kerzen brennen in den Häusern, um ein kleines Licht zu schaffen. Die Häuser sind an die Brücke gebaut, weit auf den Fluss hinaus.
Ich werde eingeladen zu Helen, eine Frau um um die 40, die seit 13 Jahren in diesem Haus wohnt. Ich muss ganz geduckt laufen, in einem Gang der wie ein Steg gebaut ist, unter mir Wasser. Am Ende des Ganges kriechen wir in ihre Hütte. Stehen geht nicht. Es gibt ein kleines Fenster, welches zum Containerhafen gerichtet ist und aufs Meer hinaus. *Tolle Aussicht, nicht wahr?!* fragt sie mich. Ich weiss nicht was ich sagen soll. Ich sehe das dreckige Wasser, jedes Mal wenn ein Lastwagen über die Brücke fährt (also alle 2min) dröhnt und bebt die Hütte, sie leben hier auf 7m2, können nicht einmal aufrecht stehen. Aber die Aussicht, die ist toll - mein Herz ist sehr schwer in dem Moment. Sie fragt mich, ob wir zusammen beten können, weil sie Angst hat vor der Umsiedlung, Angst dass ihr Mann noch weniger Arbeit findet, er hatte schon diese Woche keine Arbeit. Was das bedeutet wissen wir - das Essen war wahrscheinlich nicht sehr ausgewogen wenn überhaupt gegessen wurde. Sie bedankt sich mehrfach bei mir dass ich sie besucht habe. Während ich dies schreibe kommen mir Tränen. Solch ein schweres Leben, und sie ist solch ein unglaublich herzlicher Mensch. Und sie weiss, dass ich wieder in mein reiches Leben zurückkehre, und trotzdem empfängt sie mich mit offenen Armen.

Als wir am Tag darauf Navotas besuchen, erzählt uns eine Freundin, dass gerade ein 17jähriges Mädchen wegen Drogenmissbrauch erschossen wurde. Sie war auf der Liste. Eine Liste, die es in vielen Bezirken jetzt gibt. Wenn du dort notiert wirst, ist es wahrscheinlich, dass du erschossen wirst. Aber wohin gehen? Ein Kind, 17 Jahre alt. In Armut aufgewachsen neben einem Friedhof, wahrscheinlich Drogen konsumiert um Hunger und Verzweiflung zu vertreiben. Und nun erschossen anstatt rehabilitiert. Seit ich hier bin, habe ich von mindestens 10 jungen Menschen unter 25 Jahren erfahren, die im *Drogenkrieg* erschossen worden sind. Und das ist nur mein Umfeld. Manche jünger als 17J. Wie können Menschen dies nur als Lösung des Drogenproblems ansehen? 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen